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Studentische Abschiedslieder

Der Abschied vom Studienort bewegte unsere akademischen Vorfahren weitaus mehr als uns heute, wusste man doch, dass es meist ein Abschied für immer war. Die damit verbundenen Emotionen gingen in zahlreiche Devotionalien, Verse, Lieder und Bilder ein. Martin Knof Hannoverae Göttingen hat uns aus seiner großen Sammlung die nachfolgende Graphik von Ludwig Riepenhausen (ca. 1815) mit der Beschriftung „Es ritten drei Reuter zum Thor hinaus – Ade!“ zur Verfügung gestellt. Bei Rolf-Wilhelm Brednich (Göttinger Stammbuchkupfer, Friedland 1997, S. 368) findet sich die Graphik als Nr. 724 mit der Beschreibung: „Ein stimmungsvolles Genre-Bild zum Auszug von Studierenden mit weinendem Mädchen, zeterndem Torschreiber, ängstlichem Wachsoldaten und verstörter Gänsemagd. Der Titel dieses Blattes ist eine Anspielung auf ein weit verbreitetes Volkslied; vgl. Erik Böhme II (Deutscher Liederhort), Nr. 756.“
Martin Knof fand den Kupferstich auch bei Otto Deneke (Göttinger Nebenstunden Nr. 16, Göttingen 1938) und Karl Konrad (Bilderkunde […] Mit einer Darstellung der Bonner Korporationsbilder von Dr. Hans Gerhardt, Bd. 1, 1931) sowie Konrad Nr. 338 Nr. 3 und c (!). Wilhelm Fabricius (DDC, 2. A., Frankfurt a.M. 1926, S. 129) zeigt eine weniger prägnante spiegelbildliche Version, „nach einer Lithographie gezeichnet von Eckert (1828)“. – Bei dem lt. Brednich „zeternden Torschreiber“ links unten im Fenster könnte es sich um einen zornigen Kaufmann oder Gastwirt handeln, bei dem die eilig entschwindenden Herren Schulden hinterließen. Die „verstörte Gänsemagd“ versucht durchaus energisch, sie aufzuhalten. Ganz im Fokus der Darstellung steht jedoch das „weinende Mädchen“ im Fenster des Obergeschosses, dem die Drei ihre letzten Blicke zuwenden, der Hinterste sogar eine Kusshand zuwirft. Eine verlassene Studentenliebe! „Ade, Feinsliebchen! Das schaute zum Fenster hinaus!“ heißt es ja wörtlich im Lied. Die Szene wird noch belebt durch drei bellende Hunde, die den Reitern hinterherlaufen. – Der Text ist seit mindestens 1774 u.a. aus Zitaten bekannt, der Verfasser – Student oder Handwerksbursche? – blieb anonym.
Das zweite Beispiel fand Michaela Neubert (vgl. dieses Jahrbuch EuJ 69, S. 27, Abb. 7) als Zitat im Stammbuch Frhr. von Thon-Dittmer von 1823: „Zeuch in fremdes Land und denk‘ unsers Bunds hienieden“. Verfasser des Abschiedsliedes, aus dem es stammt, war der Hainbunddichter und Theologe Johann Martin Miller (Ulm 1750–1814), der 1770–74 in Göttingen, 1774/75 in Leipzig studiert hatte. Den Text schrieb er 1773, die Melodie Friedrich Wilhelm Weiß 1775. Es gibt verschiedene Varianten. Zeitnah entstand die folgende Fassung in einer handschriftlichen Sammlung von „prosaisch und lyrischen Gedichten aus den besten Schriftstellern und Dichtern unserer Zeit / von Maria Magdalena Würflin, Anno 1779 den 27. Jenner“. Darin heißt es: „Studentenlied bey Abschied eines Freundes.
- Traurig sehen wir uns an, achten nicht des Weines. / Jeder schlägt die Augen nieder, / Und der hohen Freudenlieder / schallet heute keines.
- Drum, so soll ein Trauerlied, dir, o Freund, erschallen. / Trinket, jeder ihm zu Ehren / ach! und lasst der Trennung Zähren / in den Becher fallen.
- Edel warest du und treu, fromm und deutsches Herzens. / Bleib es, Lieber! Edlen Seelen / kann’s an Freuden nirgends fehlen. / Und vergiß des Schmerzens.
- Heilig war uns mancher Tag, mancher Abend heilig! / Freundschaft gab uns alles Gutes, / Freundschaft macht uns frohes Mutes, / ach, und schwand so eilig!
- Zeuch in fernes Land und denk unsers Bunds hienieden! / Dort am Sternenhimmel Bester! / knüpft die Ewigkeit ihn fester. / Leb indeß in Frieden!
- Nur noch eins zur guten Letzt, unserm Freund zu Ehren. / Heute sind wir noch vereinet. / Morgen, wenn die Stund erscheinet, / fließen unsre Zähren.“
Das Lied wird in Stammbüchern um 1800 gerne zitiert, findet sich u.a. noch im handgeschriebenen Liederbuch einer Variscia, einer Froschverbindung der Onoldia am Ansbacher Gymnasium (1826ff.), fehlt aber in den gängigen Kommersbüchern.
Einst und Jetzt

Aus dem Inhalt:
Neubert, Michaela / Stickler, Matthias: „Olim meminisse iuvabit!“ Neuerwerbungen des Instituts für Hochschulkunde
Hümmer, Hans Peter: Oft zitiert und lange verschollen: Das Stammbuch des Frankfurter Senators Johann Georg Rössing, Erlangen, Jena und Göttingen 1796 – 1799
Hümmer, Hans Peter: Die Legende vom ‚Ordo Metallicorum‘ zu Freiberg in Sachsen und das angeblich älteste Studentenwappen (1813/14)
Hoffmann, Florian: Der corpsstudentische Verruf. Eine Annäherung am Beispiel des SC zu Gießen
Dossmann, Martin: Das Bonner Corpsleben in der Besatzungszeit 1918 – 1926
Textor, Horst-Ulrich †: Wiedereröffnung der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen nach dem Zweiten Weltkrieg und die Restitution des SC zu Aachen
Gatscher-Riedl, Gregor: Corpsstudentische Bezüge im Leben und im Roman ‚Memoiren eines Antisemiten‘ des altösterreichischen Schriftstellers Gregor von Rezzori (1914 – 1998)
Der Verein für corpsstudentische Geschichtsforschung gibt seit seiner Gründung das Jahrbuch Einst und Jetzt heraus. Erstmals erschien es 1956. Seitdem hat sich die Reichweite kontinuierlich vergrößert, vor allem in wissenschaftlichen Bibliotheken erfreut sich diese an der ältesten Verbindungsform ausgerichtete, aber alle Korporationen im Blick behaltenden Forschungsplattform steigender Akzeptanz. So wird unser Jahrbuch zur Quelle des Wissens über die Korporationen allgemein und die Corps speziell – für Freunde und Kritiker gleichermaßen.
In unserem Jahrbuch Einst und Jetzt, Nr. 51, erschienen 2006, findet sich ein großer Aufsatz über den Wingolf zur Zeit des Nationalsozialismus aus der Feder von Professor Karl Dienst. Darin äußert der Autor hellsichtig: „Gewiss sind die Übergänge in der Bandbreite möglicher resistenter Verhaltensweisen zum Nationalsozialismus fließend; sie wechselten bei den Einzelnen auch in biographischer und chronologischer Hinsicht. Auch die schnelle Herrschaftskonsolidierung der Nationalsozialisten ließ in vielen Fällen bald nur noch unterschwellige und letztlich resignierende Opposition zu. Institutioneller Widerstand wurde zunehmend schwieriger; Widerstand wurde tendenziell zur Privatangelegenheit, zur persönlichen Entscheidung zwischen Gewissen und Macht.“ Die kirchenpolitischen Optionen der Wingolfiten wichen indessen nicht signifikant von denen der übrigen Pfarrer ab. Mehr dazu in der 2006 erschienenen Ausgabe unseres Jahrbuches Einst und Jetzt, Band 51, zu finden auf den Seiten 279 bis 314.
In München wird das Gelände nördlich des Rathauses als „Marienhof“ bezeichnet. Bis vor wenigen Jahren war es unbebaut, doch vor der Komplettzerstörung durch den Bombenkrieg lag hier ein dichtbebautes Stadtviertel, unter anderem das Judenviertel. Der Marienhof stellte das größte zusammenhängende Bodendenkmal in der Münchner Innenstadt dar.
Unter dem Mareinhof wird in wenigen Jahren die zweite U-Bahn-Stammstrecke Münchens verlaufen, sie ist seit 2019 in Bau. Zuvor haben Archäologen und Bauforscher ab 2011 dieses Gelände gründlichst untersucht. An der Einmündung der alten Schrammerstraße in die Theatinerstraße fanden sie die Reste des Kellers eines bis Kriegende stattlichen mehrstöckigen Gebäudes mit Geschäften im Erdgeschoss – einst das Anwesen Theatinerstr. 52. Der Keller war mit Schutt und unterschiedlichstem Hausrat aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts verfüllt.

Unsere Bildcollage zeigt das Gelände des Fundes, den Marienhof im Herzen München, kurz nach Baubeginn 2019, links unten, teils im Schatten, noch einige originale Mauerreste; links oben das ganze Fundstück, rechts unten der Farbschild im Detail. Bildrechte: München Wiki GNU Freilizenz / Archäologische Staatssammlung München, Stefanie Friedrich
Eleonore Wintergerst von der Archäologischen Staatssammlung München berichtete im Jahrbuch Einst & Jetzt Nr. 66, das 2021 erschien, von einem kleinen, beutelförmigen Porzellanobjekt, das man im Keller der ehemaligen Theatinerstraße 52 gefunden hat. Es handelt sich um den Saftsack einer Gesteckpfeife, also das Verbindungsstück, das zum Auffangen der beim Rauchen entstehenden Kondensflüssigkeiten dient. Auf seiner Vorderseite befindet sich ein Farbenschild auf gekreuzten Schlägern. Die beiden Randstreifen sind Weiß, der mittlere ist indifferent Ocker/Sienabraun, wobei unklar ist, ob sich der Farbwert durch die Bodenlagerung oder Hitzeeinwirkung farblich verändert hat.
Auf dem Farbenschild stehen die verschlungenen Buchstaben VEAv!. des Zirkelspruchs „Virtus Et Amicitia vivant!“ – Tugend/Leistung und Freundschaft leben! Die Anordnung Weiß – Ocker/Sienabraun – Weiß legt nahe, dass es sich hier um den Farbenschild einer Schülerverbindung handelt. Weil der Farbenschild für alle Mitglieder einer Schülerverbindung gleich war, ist es durchaus wahrscheinlich, dass entweder der nicht mehr vorhandene Pfeifenkopf oder dessen Deckel zusätzlich personalisiert waren. Die mögliche Originalfarbe und der Zirkel harren noch ihrer Entschlüsselung.
Mitgliedschaft
Werden Sie Mitglied im Verein für corpsstudentische Geschichtsforschung e.V.! Alle Damen und Herren, die sich für Hochschul- und Studentengeschichte interessieren, sind herzlich willkommen. Aber vielleicht liegt es Ihnen auch am Herzen, die große, seit dem Spätmittelalter bekannte Tradition der studentischen Gesellung zu fördern? Auch dann sind Sie hier an der besten Adresse! Die Mitgliedschaft ist nicht von der Zugehörigkeit zu einer Studentenverbindung oder einem bestimmten Korporationsverband abhängig.
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