
Das Tagebuch aus dem ‚Tollhaus‘

Im studentischen Jargon wurde die Festung Oberhaus in Passau, in der auch Studenten aus ganz Bayern wegen geringfügiger Vergehen einsaßen, Tollhaus genannt. Im Jahrbuch EuJ 68, 2023, Seite 153 – 170, schrieben dazu Hans Peter Hümmer und Andreas Mettenleiter über das Verfahren wegen Vergehens des Zweikampfes gegen Gfrörer, Angerer & Consorten vor dem Landgericht Fürth (1907/08). Dazu lieferte nun Martin Laubmann Thuringiae Heidelberg, Saxo-Borussiae Freiberg einen wichtigen Hinweis: Aus der Zeit 1903 bis 1911 existiert ein „Tagebuch Festung Oberhaus“, eigentlich ein Gästebuch, worin sich zahlreiche Delinquenten eintrugen, die ihre „Ferien“ dort verbrachten. Es handelte sich vorwiegend um Waffenstudenten sowie ihre Beihelfer, die „straffällig“ geworden waren. Darunter auch eine hübsche junge Gastwirtin.
Einige originelle Zeichnungen sowie Fotos schmücken das Album, darunter Foto, das die Herren F. Haußler NormanniaeMünchen, K. Hensold und W. Gfrörer Onoldiae und einen stud. Wiedmann beim Kartenspiel zeigt. Drei scharfe Partien aus dem Jahr 1907 sind paukbuchartig verzeichnet und illustriert: Albin Angerer Moenaniae (xx) c/a Friedrich Stellwaag Onoldiae, Franz Vollnhals c/a G. Flierl Bavariae Erlangen und Albert Angerer Moenaniae (xxx) c/a Walter Gfrörer Onoldiae. Einige der Einträger hinterließen zusätzlich kernige Gedichte; als Beispiel soll ein Lied der „Angerer Brothers“ aus Würzburg zitiert werden. Es findet sich auf Seite 30 des Tagebuchs.
„Wer hat dich du schönes Haus / Aufgebaut so hoch da droben / Wohl den Meister will ich loben / Nur so lang ich bin heraus / Lebe wohl, lebe wohl, lebe wohl du schönes Haus! // Tief die Welt verworren schallt / Oben Häftlinge nur rasen / Scheidend wir dir einen blasen / Dass er tausendfach verhallt / Lebe wohl, lebe wohl, lebe wohl du schönes Haus! // Uns gebietet niemand Halt / Wollens wie bisher stets halten / Ewig bleiben treu die Alten. / Pass nur auf Herr Staatsanwalt! / Lebe wohl, lebe wohl! Hol dich der Teufel, Oberhaus! // The A[ngerer] Brothers / 18.V.–1.VI.1908.“
Die klandestine Drohung gegen den Staatsanwalt dürfte nach mehr als 115 Jahren verjährt sein. Ihr Verfasser ist Albin Angerer, Erfinder der horizontalen Tiefterz – der Weg zum Fechtbeauftragten des KSCV war angesichts dessen nicht weit. Viele Jahre später fungierte er auch als Leiter des Würzburger Instituts für Hochschulkunde. Eine vollständige Auswertung des Buches, das viele interesssante Details enthält und einschließlich der teils bemerkenswerten Illustrationen als denkwürdiges Dokument gelten darf, steht noch aus. Aber was sich der Schriftleiter des VfcG vornimmt, das liefert er. Auch wenn es naturgemäß ein Weilchen dauern mag.
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