
Die rätselhafte Porzellanpfeife vom Münchner Marienhof

In München wird das Gelände nördlich des Rathauses als „Marienhof“ bezeichnet. Bis vor wenigen Jahren war es unbebaut, doch vor der Komplettzerstörung durch den Bombenkrieg lag hier ein dichtbebautes Stadtviertel, unter anderem das Judenviertel. Der Marienhof stellte das größte zusammenhängende Bodendenkmal in der Münchner Innenstadt dar.
Unter dem Mareinhof wird in wenigen Jahren die zweite U-Bahn-Stammstrecke Münchens verlaufen, sie ist seit 2019 in Bau. Zuvor haben Archäologen und Bauforscher ab 2011 dieses Gelände gründlichst untersucht. An der Einmündung der alten Schrammerstraße in die Theatinerstraße fanden sie die Reste des Kellers eines bis Kriegende stattlichen mehrstöckigen Gebäudes mit Geschäften im Erdgeschoss – einst das Anwesen Theatinerstr. 52. Der Keller war mit Schutt und unterschiedlichstem Hausrat aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts verfüllt.
Eleonore Wintergerst von der Archäologischen Staatssammlung München berichtete im Jahrbuch Einst & Jetzt Nr. 66, das 2021 erschien, von einem kleinen, beutelförmigen Porzellanobjekt, das man im Keller der ehemaligen Theatinerstraße 52 gefunden hat. Es handelt sich um den Saftsack einer Gesteckpfeife, also das Verbindungsstück, das zum Auffangen der beim Rauchen entstehenden Kondensflüssigkeiten dient. Auf seiner Vorderseite befindet sich ein Farbenschild auf gekreuzten Schlägern. Die beiden Randstreifen sind Weiß, der mittlere ist indifferent Ocker/Sienabraun, wobei unklar ist, ob sich der Farbwert durch die Bodenlagerung oder Hitzeeinwirkung farblich verändert hat.
Auf dem Farbenschild stehen die verschlungenen Buchstaben VEAv!. des Zirkelspruchs „Virtus Et Amicitia vivant!“ – Tugend/Leistung und Freundschaft leben! Die Anordnung Weiß – Ocker/Sienabraun – Weiß legt nahe, dass es sich hier um den Farbenschild einer Schülerverbindung handelt. Weil der Farbenschild für alle Mitglieder einer Schülerverbindung gleich war, ist es durchaus wahrscheinlich, dass entweder der nicht mehr vorhandene Pfeifenkopf oder dessen Deckel zusätzlich personalisiert waren. Die mögliche Originalfarbe und der Zirkel harren noch ihrer Entschlüsselung.
Unsere Bildcollage zeigt das Gelände des Fundes, den Marienhof im Herzen München, kurz nach Baubeginn 2019, links unten, teils im Schatten, noch einige originale Mauerreste; links oben das ganze Fundstück, rechts unten der Farbschild im Detail. Bildrechte: München Wiki GNU Freilizenz / Archäologische Staatssammlung München, Stefanie Friedrich
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